Im Falle von Krankheit wird oft erst reagiert, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Menschen suchen dann Ärzte und Therapeuten auf, suchen fachlichen Rat und erwarten passende Therapien und Medikamente, um dem Gesundheitsproblem entgegenzuwirken. Glücklicherweise führt dies oft zur Heilung, und der Körper findet zurück zu seinem gesunden Zustand. Nach einer solchen Erfahrung stellt sich jedoch die Frage: Warum musste es überhaupt so weit kommen? Können wir uns nicht auch aktiv um unsere Gesundheit kümmern? Diese Überlegungen stehen im Mittelpunkt der Salutogenese, einem Konzept, das wir näher vorstellen und das auch für Mitarbeitende in der Kranken- und Altenpflege äußerst wertvoll sein kann.
Der Artikel im Überblick
- Betrachten wir den Begriff Salutogenese
- Denkt das Pflegepersonal eher in gesundheitsorientierten oder krankheitsorientierten Bahnen?
- Herausforderungen in anspruchsvollen Zeiten ressourcenorientiert bewältigen
- Salutogenese nach Antonovsky
- Gesundheit gestalten: Ein Blick über das traditionelle Medizin-Paradigma hinaus
- Das Modell der Salutogenese
- Investieren Sie in sich selbst: Persönliche und berufliche Entwicklung
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Denkt das Pflegepersonal eher in gesundheitsorientierten oder krankheitsorientierten Bahnen?
Wer in Pflegeeinrichtungen oder Kliniken tätig ist, sieht sich täglich mit Krankheiten sowie körperlichen oder geistigen Defiziten konfrontiert. Interessant ist die Frage, ob der Blick auf die jeweilige Diagnose oder das Leben der Patienten, Bewohnerinnen und Bewohner eher durch eine krankheitsorientierte Brille oder eine gesundheitsorientierte Perspektive geprägt ist. Die krankheitsorientierte Sichtweise basiert auf einer klassisch medizinischen Orientierung: Kranke Patientinnen und Patienten werden als Fälle betrachtet, deren Befinden und Zustand vom Normalzustand abweicht. Das bedeutet, dass bestimmte Faktoren als Bedrohung für die Integrität des Organismus betrachtet werden, pathogene Einflüsse werden erforscht, Symptome werden klassifiziert und als wissenschaftlich begründete Störungsbilder betrachtet (Lorenz, 2016, S. 25). Diese eher eindimensionale Denkweise führt dazu, dass der Blick eingeschränkt wird und wichtige Aspekte der Gesundheit vernachlässigt werden.
Antonovsky fordert als Konsequenz, das Blickfeld zu erweitern und der individuellen Geschichte des Menschen angemessen Raum zu geben. Gerade diese persönliche Geschichte hilft dabei, eine Person ganzheitlich zu verstehen und zu erkennen, welches Ereignis eine Erkrankung ausgelöst hat. Dadurch kann erstens ein grundlegendes Verständnis sowie Empathie gestärkt werden und zweitens werden gute Voraussetzungen geschaffen, um die noch gesunden Anteile der Patienten zu fördern.
Herausforderungen in anspruchsvollen Zeiten ressourcenorientiert bewältigen
Wenn wir stressigen Situationen gegenüberstehen, hat jeder von uns seine individuelle Art, damit umzugehen. In solchen Momenten entwickeln wir Bewältigungsstrategien, auch als Coping-Strategien bekannt. Nicht alle Stressoren, die im Alltag auf uns einwirken, sind grundsätzlich schlecht für uns; ihre Wirkung hängt stark von ihrem Charakter und ihrer Intensität ab. Einige Stressoren, wie beispielsweise der Druck beim Lernen, können äußerst positiv sein: Sie fordern uns heraus, fördern das Lernen von Neuem und erzeugen Aufregung vor Prüfungen. Evolutionär betrachtet haben viele Stressoren einen förderlichen Einfluss auf unsere menschliche Entwicklung. In Bezug auf unsere Gesundheit kommt es jedoch darauf an, wie gut wir mit ihnen umgehen können.
Erfolgreiches Coping besteht daher darin, individuelle Ressourcen zu mobilisieren, die in der jeweiligen Situation angemessen und effektiv sind.
Salutogenese nach Antonovsky
Aaron Antonovsky untersuchte Faktoren, die allen Menschen eine Grundlage bieten können, sich in Richtung Gesundheit zu entwickeln. Seine Überlegungen führten schließlich zur Einführung des Begriffs „Sense of Coherence“ (SOC), also des Kohärenzgefühls. Dieses beschreibt das Gefühl eines Menschen, wenn er darauf vertraut, die Herausforderungen des Lebens mit seinen eigenen Fähigkeiten bewältigen zu können. In seinem Buch „Health, Stress and Coping“ beschreibt Antonovsky, welche Konsequenzen sich daraus im Umgang mit Patientinnen und Patienten ergeben sollten:
Je mehr der Patient als ganze Person wahrgenommen wird, desto besser.
Je mehr die Bedürfnisse des Patienten im Mittelpunkt stehen, desto besser.
Je mehr Entscheidungsbefugnis in den Händen des Patienten liegt, desto besser.
Menschen, die in Pflegeberufen arbeiten, können somit aktiv dazu beitragen, die Gesundheit jeder Person zu fördern, indem sie die genannten Prinzipien in ihrer Arbeit berücksichtigen. Dadurch werden die „Selbstgestaltungspotenziale“ gestärkt, und Patientinnen und Patienten übernehmen eigenverantwortlich die Verantwortung für ihre Genesung. In Zusammenarbeit mit dem Pflegepersonal erkunden sie aktiv ihre oft verborgenen oder unbewussten Ressourcen und entwickeln gemeinsam Pläne für ihre Gesundheit.
Besonders bedeutend sind dabei die kohärenztheoretisch basierten Klärungshilfen:
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- Die Verstehbarkeit basiert auf geordneten und strukturierten Lebenserfahrungen der Kontinuität.
- Die Handhabbarkeit beruht auf der Balance zwischen Überlastung und Unterforderung sowie der konkreten Klärung verfügbarer Ressourcen.
- Die Bedeutsamkeit liegt in der aktiven Partizipation bei der Gestaltung und Umsetzung des Lösungsansatzes unter dem Aspekt der Herausforderung, die das Engagement lohnenswert macht (Lorenz, 2016, S.174).
Gesundheit gestalten: ein Blick über das traditionelle Medizin-Paradigma hinaus
Angesichts der permanenten Auseinandersetzung des Menschen mit gesunden und kranken Aspekten sollte nicht ausschließlich am „alten Medizin“-Paradigma festgehalten werden. Vielmehr ist ein Zusammenspiel erforderlich, das Raum für mehrere Perspektiven lässt. Der Mensch sollte als Gestalter seines eigenen Lebens betrachtet werden. Ein Individuum, das sich seiner persönlichen Ressourcen bewusst wird, Stimmigkeit schaffen und (wieder) empfinden kann, wird gesunden und in Einklang mit sich selbst und der Welt kommen.
Die aktive Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte ist hilfreich, um die eigenen Ressourcen zu erkennen. Für medizinisches Personal in Einrichtungen ist dieses Erkunden und die Beschäftigung mit Lebensgeschichten möglicherweise mit erhöhtem Aufwand verbunden. Dennoch zahlt sich die Anstrengung, Patientinnen und Patienten besser zu verstehen, langfristig aus – es stärkt das Miteinander und natürlich auch die Gesundheit.
Jork und Peseschkian (2003) präsentieren für die Anamneseerhebung folgende Fragen, die jedoch auch abseits davon sinnvoll eingesetzt werden können:
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- Welche Bedeutung sehen Sie in Ihrer gegenwärtigen Situation?
- Wie glauben Sie, mit der momentanen Situation umgehen zu können?
- Welche Hilfen glauben Sie zu benötigen?
- Welche Erfahrungen der Problemlösung haben Sie in früheren ähnlichen Situationen gesammelt?
- Haben Sie eine Lebensphilosophie?
- Was glauben Sie, warum Sie leben?
- Was würden Sie als Ziel Ihres Lebens betrachten?
- Was glauben Sie, kann Ihnen in besonders schwierigen Lebenssituationen helfen? Was möchten Sie erreichen?
- Was wäre der nächste kleine Schritt?
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